Peak Management im Customer Care

Peak Management im Customer Care
Date Published

30/05/2023

Reading time

5 minutes

Author

Thorsten Kleinschmidt

Erfolgreiche Unternehmen wollen für ihre Kunden da sein – deshalb verkaufen sie nicht nur Produkte und Dienstleistungen, sondern begleiten die ganzen Customer Journey. Der Begriff Kundenservice – Customer Care – steht dabei für dauerhaften Austausch und dauerhafte Zusammenarbeit. Manchmal aber sind sowohl Unternehmen als auch Kunden in dieser Beziehung überfordert. In Stoßzeiten – Peaks – mit vielen Kundenanfragen kommen Customer-Care-Abteilungen an ihre Grenzen, und frustrierte Kundinnen und Kunden stöhnen über lange Wartezeiten. Wie lassen sich solche Situationen verhindern?

Die Qualität im Customer Care ist ein wichtiger Faktor der Kundenzufriedenheit und damit auch der Markenreputation. Wie die Capita CX Studie 2022 belegt, wechselten im Untersuchungszeitraum 17 Prozent der Kunden, die mit einem Service-Kontakt ausdrücklich unzufrieden waren, anschließend den Anbieter; weitere 29 Prozent zogen dies ernsthaft in Erwägung.

Dabei machen aktuelle Entwicklungen den Kundenservice-Abteilungen das Leben nicht leichter. Die Entwicklung von Remote-Services sind hier nur Teil. Technologieunternehmen wie Siemens Healthineers gingen dazu über, selbst Störungen komplexer Geräte wie Computertomografen aus der Ferne zu diagnostizieren und zu beheben. Viele Kundinnen und Kunden erwarten in höherem Maße als früher, Anliegen auch von zu Hause aus zügig erledigen zu können.

Auf der anderen Seite sind technische und personelle Strukturen der Customer Care-Abteilungen dieser Aufgabe oft noch nicht immer gewachsen, wie Anfang 2023 große Energieversorger erfahren mussten, als sie sich nach drastischen Preiserhöhungen plötzlich einer Flut von telefonischen Beratungsanfragen gegenübersahen und es zu langen Wartezeiten kam.

Mit solchen Problemlagen fertigzuwerden ist Aufgabe des sogenannten Peak Management im Kundenservice von Unternehmen. Es schafft für Stoßzeiten mit besonders vielen Kundenanfragen Strukturen, die es ermöglichen, Kunden zufriedenzustellen und gleichzeitig auch den Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rechnung zu tragen. Was aber heißt das konkret?

 

Kein Hexenwerk: Die Zukunft vorhersehen

Die erste Aufgabe im Peak Managements ist der Blick in die Zukunft: Wann sind Spitzenbelastungen zu erwarten? Zur Beantwortung dieser Frage braucht ein Unternehmen keine Kristallkugel, sondern Daten und Erfahrungen. Die Analyse des Kundenverhaltens in der Vergangenheit kann zeigen, zu welchen Jahreszeiten, an welchen Wochentagen, zu welchen Uhrzeiten mehr Anfragen eingehen als sonst. Die Urlaubssaison und Feiertage können eine Rolle spielen, aber auch Geschäftsaktivitäten des Unternehmens selbst – wie z. B. Sonderaktionen („Black Friday“) und Werbekampagnen; die Neueinführung oder umgekehrt die Einstellung von Produkten oder Services; Preiserhöhungen oder Änderungen von Nutzungsbedingungen.

Es gibt Software-Tools, die aus all diesen Daten Vorhersagen über die Entwicklung der Kundenanfragen erstellen können (Predictive Analytics). Allerdings kann es auch unvorhersehbare Ereignisse geben, die das Kundenverhalten beeinflussen. So etwa bei Problemen mit einzelnen Produkten, aufgrund von Medienberichten oder – wie im Falle der Energiepreise – durch plötzliche Marktveränderungen.

 

Ressourcen optimieren: Einsatz und Vorbereitung von Mitarbeitern

Wenn wir wissen, was auf uns zukommt, können wir uns vorbereiten: Unternehmen sollten schon vor Eintreten der Belastungsspitze dafür sorgen, dass genug qualifizierte Mitarbeitende zur Verfügung stehen. Nur wer den Personalbestand rechtzeitig aufstockt, hat ausreichend Zeit, die Kolleginnen und Kollegen im Service für ihre Aufgabe auszubilden und einzuarbeiten.

Dennoch ist die Belastung in Stoßzeiten oft hoch. Firmen sollten das anerkennen. Pausen und gute Arbeitsbedingungen sind nun noch wichtiger als sonst; Mehrbelastungen können finanziell attraktiver gestaltet werden.

  

Die Möglichkeiten der Technik: Automatisierte Kundenkommunikation

Viele einfache Kommunikationsaufgaben kann die Technik den Menschen mittlerweile abnehmen – was zu einer spürbaren Entlastung in den Service-Teams führen kann.

Seit Langem verbreitet sind Systeme zur automatischen Anrufverteilung (ACD – Automatic Call Distribution). Sie nehmen Anliegen auf und verteilen sie an zuständige Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter. Traditionelle Systeme führten die Anrufenden oft durch umständliche Menüs („Wenn Sie eine Frage zur Baufinanzierung haben, wählen Sie die 3“). Moderne Systeme, die mittlerweile auch von KI unterstützt werden können, kommen mit menschlicher Sprache zurecht. Sie versuchen das Anliegen der Anrufenden zu verstehen und sie mit dem am besten passenden Ansprechpartner zu verbinden; ist das gerade nicht möglich, kann das System zu einem günstigeren Zeitpunkt einen automatischen Rückruf durchführen (Conversational IVR – Interactive Voice Response).

Chatbots oder Voicebots auf Websites oder in Apps können mittlerweile viele einfache und wiederkehrende Kundenanfragen schon beantworten. In komplizierteren Fällen können sie Anfragen sortieren und an die richtigen menschlichen Ansprechpartner*innen weiterleiten. Der Chatbot des Versicherungsunternehmens AdmiralDirekt etwa versteht auch komplexere Anfragen und kann User*innen z. B. auch durch den Prozess zur Annahme von Schadensmeldungen führen.

Oft ist es möglich, die Fragen von Kunden zu beantworten, bevor diese zum Telefon oder zur Tastatur gegriffen haben. Selbst-Service-Angebote (Self Service Tools) sind eine beim Kunden sehr beliebte Form der Kommunikation. Unternehmen können auf ihren Social-Media-Kanälen schnell und unkompliziert Informationen zu aktuellen Entwicklungen teilen oder auf ihren Websites aktuelle News-Beiträge, Wissensdatenbanken, FAQs, Anleitungsvideos oder Bedienungshandbücher Informationen in beliebiger Detailtiefe vermitteln. Wichtig ist dabei stets, dass die Informationen auf dem neuesten Stand gehalten werden, damit sie in Stoßzeiten ihren Zweck erfüllen können.

 

Kunden die Situation erklären: Kommunikation über Kommunikation

Trotz aller Vorbereitung: Manchmal kann nicht alles rund laufen, wenn die Telefon- und Internetleitungen glühen. Unternehmen sollten ihren Kunden die Situation erklären und auf ihren Internetauftritten Hilfestellung zum weiteren Vorgehen geben. Wie lang ist derzeit die Warte- oder Antwortzeit bei Anrufen und schriftlichen Anfragen? Gibt es günstigere Zeitfenster oder alternative Kontaktmöglichkeiten? Welcher Kontaktweg ist derzeit am sinnvollsten – Telefon, Chat, Mail, Social Media? Wo sind oft nachgefragte Informationen frei zugänglich zu finden? Kundinnen und Kunden dürfen nicht das Gefühl haben, gegen eine Wand zu kommunizieren und nicht weiterzukommen.

 

Aus Fehlern lernen – und aus Erfolgen

Irgendwann ist die kritische Zeit überstanden; dann kommt der Moment zu bewerten, was gut lief und was beim nächsten Mal noch besser gemacht werden kann. Es gibt zahlreiche Kennzahlen (KPIs) zur Leistungsmessung im Kunden-Service. Wieviel Zeit verging im Durchschnitt bis zur Erstantwort? Wie viele Tickets oder Anfragen blieben ungelöst, wie viele wurden gelöst? Wie war die durchschnittliche Lösungszeit? Wie viele Anfragen gingen über welche Kanäle ein? Mithilfe der passenden Software lassen sich die für Antworten auf diese Fragen erforderlichen Daten erheben und so die Leistung unter Spitzenbelastung in ein Verhältnis zur normalen Leistungsfähigkeit setzen. Hilfreich ist hier auch, wenn Kundenfeedback abgefragt und gesammelt wurde. Peak Management kommt nicht zum Ende: Nach dem Peak ist vor dem Peak.

 

Unter dem Strich

Peaks – Zeiten hoher Kontaktvolumina – sind die Nagelprobe im Customer Care und eine große Herausforderung. Sie entstehen aus Situationen, die für die Kundinnen und Kunden auf irgendeine Weise eine nicht alltägliche Bedeutung haben: aus ungewöhnlichem Ärger, aus ungewöhnlicher Sorge, aus der Hoffnung auf eine ungewöhnliche Chance oder auch einfach aus einem ungewöhnlichen Shopping-Erlebnis. Wenn der Kundenservice hier nicht funktioniert, droht dem Unternehmen ein ungewöhnlicher Reputationsverlust.

Dem kann ein gelungenes Peak Management vorbeugen: durch rechtzeitiges Erkennen von Zeiten hoher Belastung; durch rechtzeitige Einstellung und Qualifizierung von Personal; durch Nutzung technischer Möglichkeiten. Es geht darum, mit den Kundinnen und Kunden im Gespräch zu bleiben – über verschiedene Kanäle, technische Hilfsmittel und Informationsplattformen, ganz gleich, wie hoch das Aufkommen von Kundenanliegen auch sein mag.

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