Empathie im Kundenservice

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Date Published

10/06/2021

Reading time

10 Minuten

Author

Nils Bühler

Ganz im Sinne der Customer Centricity setzen Unternehmen zusehends auf Multi- oder Omnichannel im Kundenservice. Kundinnen und Kunden sollen ihrem Bedürfnis, mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten, mit dem Mittel ihrer Wahl nachgehen können. Der Kontakt von Mensch zu Mensch ist dabei nur noch ein Baustein von vielen. Selfservice-Angebote, Chat- und Voicebots finden immer mehr Verbreitung. Die Verwendung solcher Technologien soll Effizienz und Kundenzufriedenheit steigern. Doch kann ein solcher Kundenservice empathisch sein?

Der Faktor Empathie

Die Frage ist nicht unwichtig, denn Empathie kann erreichen, was jede noch so ausgefeilte Zielgruppenstudie nicht ermöglichen kann: auf die Gefühle und Lebenssituationen der einzelnen Kundinnen und Kunden einzugehen. Das Angebot möglichst vieler Kommunikationskanäle, zwischen denen mühelos hin und her gewechselt werden kann, ist die Voraussetzung für eine gute Customer Experience. Damit sie tatsächlich zustande kommt, wünschen sich Kundinnen und Kunden einen freundlichen, hilfreichen und störungsfreien Kontakt. Das zeigte zuletzt auch eine PwC-Studie.

Mit anderen Worten: Kundinnen und Kunden wollen in ihren persönlichen Bedürfnissen wahrgenommen werden. Sie wünschen sich, dass sich die Servicemitarbeitenden in sie hineinversetzen. Diesen Wunsch zu erfüllen, kann sich für Unternehmen in doppelter Hinsicht lohnen. Aus der PwC-Studie geht nämlich hervor: Für eine gute Customer Experience sind Kundinnen und Kunden bereit, mehr zu bezahlen. Empathische Servicekolleg*innen steigern außerdem die Kundenzufriedenheit und -loyalität, wie eine Studie zu Customer Service in der Tourismusbranche bewies, die ursprünglich im Journal of Service Research erschienen ist.

Einfühlen in Sekundenschnelle

Customer Care sollte also danach streben, einfühlsamer zu sein. Doch wie kann das gelingen? Für den Service von Mensch zu Mensch gibt es dafür altbewährte Methoden: Schon bei der Auswahl der Mitarbeitenden im Service sollte Wert auf deren Vermögen, sich in die Kund*innen einzufühlen, gelegt werden. Durch Schulungen und gut recherchierte Personas kann es ihnen erleichtert werden, die Situationen der Menschen am anderen Ende der Leitung in Sekundenschnelle einschätzen zu können.

Das sogenannte Interaction Routing ermöglicht es außerdem, Kundinnen und Kunden mit den Mitarbeitenden zu verbinden, die am besten zu ihnen passen. In diesem Zusammenhang sind erneut die Ergebnisse des Service-Research-Artikels interessant: Der positive Effekt von Empathie im Kundenservice zeigte sich besonders stark bei empathischen Kundinnen und Kunden.

Empathie auf allen Channels?

Die große Rolle der Empathie im Customer Care erklärt, warum Menschen bei Service-Anliegen immer noch bevorzugen, mit anderen Menschen zu sprechen statt mit einem Chat- oder Voicebot. Diese Technologien leisten schon viel, wenn es um die effiziente Bearbeitung einfacher Belange wie Informations- oder Bestellanfragen geht. Bei komplexeren Angelegenheiten ist jedoch menschliche Intervention gefragt. Der Wunsch sowohl nach menschlichem Kontakt als auch nach möglichst effizienter Lösung von Anfragen ist es, was Omnichannel so erfolgreich macht.

Ein Kundenservice, der sich aus unterschiedlichen Kontaktkanälen zusammensetzt, führt jedoch unweigerlich zu folgender Frage: Wenn Empathie im Customer Care so wichtig ist, muss man sie dann in allen Stationen der Customer Journey einbringen? Ein Anliegen von einer Nutzerin oder einem Nutzer nimmt häufig den Weg über eine ganze Reihe von Channels. Eine Anfrage an meinen Internetanbieter etwa führte mich erst kürzlich von der Webseite in den Kundenbereich, wo ich mithilfe eines Chatbots einen Telefontermin vereinbarte. Anschließend erhielt ich eine E-Mail und, weil in diesem Fall rechtlich unumgänglich, auch einen Brief per Postzustellung. Eine Rückfrage brachte mich dann am Telefon noch in Kontakt mit einem Voicebot und schließlich erneut mit einem Mitarbeiter. Die direkten Kontakte mit Menschen waren in meinem Servicefall also in der Unterzahl.

Empathie – eine Frage des Vertrauens

Beide Servicemitarbeitende würde ich als empathisch beschreiben: Sie haben meine Situationen schnell erfasst und versucht, aus dieser Position heraus die bestmögliche Lösung zu finden. Dies gelang ihnen auch wegen eines gewissen Einfühlungsvermögens.

Die restlichen Stationen meiner „Kundenreise“ haben keine „angeborene oder angeeignete Fähigkeit“, sich in Menschen hineinzuversetzen. Mit einer ausreichenden Datengrundlage können Voice- und Chatbots inzwischen auf sehr unterschiedliche Anfragen reagieren. Für den Handel sind sie daher mittlerweile ein wichtiger Bestandteil der Customer Journey. Hier können Produktdaten erfragt und vom Bot zufriedenstellend beantwortet werden. Mithilfe von Daten über die Kundinnen und Kunden können personalisierte Angebote kommuniziert werden. Als „Conversational AI“ bezeichnete Gesprächs-KI entwickelt sich ständig weiter: Dank Sprachanalyse ist es sogar möglich, die Sprache der künstlichen Intelligenz (KI) an die menschlichen Gesprächspartner anzupassen. Durch die maschinelle Erkennung von Gesichtsausdrücken können sich Bots noch einmal mehr in die Lage ihrer Gesprächspartner versetzen. Diese Fähigkeiten sind insofern empathisch, dass sie angemessen auf Stimmungen und Situationen von Kontaktpersonen reagieren können.

Ein entscheidender Faktor fehlt jedoch: Geht es um mehr als reine Informationsabfrage, werden Chatbots als „kalte Intelligenz“ wahrgenommen. Die meisten Menschen trauen KI noch nicht zu, Entscheidungen für sie zu treffen. Dabei ist weder das Ergebnis eines Chats entscheidend noch die Effizienz des Wegs dorthin. Es geht nur um das Gefühl, von einer KI auf einem emotionalen Level nicht verstanden zu werden. Wenn man Empathie ernst nimmt, muss also frühzeitig zu menschlichen Mitarbeitenden eskaliert werden, wenn es um Fragen geht, die Vertrauen voraussetzen.

Chatbots und Empathie

Auch ein gut justierter Eskalationsplan ändert nichts an der Tatsache, dass heutzutage viele Kundenreisen mit dem Kontakt zu Voice- oder Chatbots starten. Die Möglichkeit, Gespräche an Menschen weiterzuleiten, sollte daher nicht bedeuten, dass man den Faktor Empathie in den anderen Kontaktpunkten außer Acht lässt.

Bots sollten daher einen gewissen Grad an Einfühlungsvermögen aufzeigen. Das ist auch ohne Sprach- oder Gesichtsanalyse möglich. Die Anwendung von Personas bei der Entwicklung der dazugehörigen Customer Journeys kann mithilfe sogenannter Empathy Maps die Gefühlswelten, kommunikativen Situationen und Vorzüge der Zielgruppen berücksichtigen. Chat- und Voicebots können auf diese Weise nicht nur zielorientiert, sondern auch stilorientiert trainiert werden. Ein erster Schritt in diese Richtung ist, Kundinnen und Kunden die Wahl zwischen unterschiedlichen Kommunikationsstilen zu bieten. Schon die einfache Nachfrage, ob lieber „Sie“ oder „Du“ verwendet werden soll, dient der Personalisierung des Kommunikationsstils.

Empathie im Customer Care ist also eine Frage des Gesamtkonzepts. Wird Kundenzentriertheit als Prinzip ernst genommen, kann empathische Kommunikation gelingen.

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