Kommunikation im Wandel: Auf Du und Du mit den Kunden

Case Studie Virtual Queuing
Date Published

21/03/2022

Reading time

10 Minuten

Author

Alexa Brandt

Kürzlich erhielt ich von meinem Kommunikationsanbieter die Nachricht: „Wir steigen um vom ,Sie‘ zum ,Du’!“ Keine große Überraschung, schließlich wird die etwas persönlichere Ansprache im Kontakt mit Kunden inzwischen auf vielen Ebenen verwendet. Ich habe mich dennoch gefragt: Welchen Einfluss hat das auf die Kundenbeziehung? Was sollten Unternehmen beachten? Wo und wann ist das Duzen vielleicht nicht angebracht, und wie sollte man damit umgehen?

Das „Du“ in der Kommunikation mit Kunden ist hierzulande noch recht neu. Eine entscheidende Rolle bei diesem Trend hat sicherlich der Siegeszug der meist aus den USA stammenden Social Media-Plattformen gespielt, wo das „You“ als pronominale Anrede üblich ist bzw. es keine höflichere Pronomen-Form zur Anrede gibt. Kaum ein Unternehmen hier in Deutschland dürfte seine Fans auf Facebook noch mit „Sie“ anreden. Selbst staatliche Behörden und Institutionen sind in Social Media längst zum „Du“ übergegangen. Vor nur zehn Jahren wäre das noch ein Unding gewesen.

Auch in Schweden hat die Verwendung der zweiten Person in gewissem Maße bereits Tradition. Seit nahezu 60 Jahren nutzt dort jeder das „Du“. Ein Grund, warum als einer der Vorreiter der schwedische Möbelhersteller Ikea hierzulande über die sozialen Medien hinaus auch in klassischen Werbeformaten diesen neuen Stil in der Ansprache gewählt hat. Können Sie sich vielleicht noch daran erinnern, was Sie gedacht haben, als Sie diese zum ersten Mal wahrgenommen haben? Ich fand es ehrlich gesagt bahnbrechend, aber auch ein wenig befremdlich. Der kleine schwedische Akzent des Sprechers hat es für mich dann aber irgendwie wieder rausgerissen. Wenn der Schwede das so macht … warum nicht, dachte ich mir. Schließlich werden bei Ikea nicht nur Möbelstücke und Dekoartikel verkauft, sondern gleich ein ganzes Lebensgefühl. Irgendwie passte das dann wieder. Einige deutsche Unternehmen sind diesem Beispiel inzwischen gefolgt.

Schafft das „Du“ mehr Nähe und neuen Raum im Kundendialog?

Tatsächlich würde ich dies als Gretchenfrage beim Thema betrachten. Von den Unternehmen heißt es zumeist, ein „Du“ verschaffe ein größeres Vertrauensgefühl. Aber ist das wirklich so? Gerade hier bei uns? Gibt es Belege hierfür?

Aufschluss zu diesen Fragen verspricht eine Studie des Marktforschungsunternehmens Appinio aus 2019. Danach wollen die meisten User*innen in sozialen Netzwerken wie Instagram, Facebook und Twitter gerne geduzt werden. Anders sieht es bei den Businessnetzwerken aus. Auf LinkedIn und Xing wünscht sich die überwiegende Mehrheit der befragten Personen immer noch die förmliche Ansprache.

Eine weitere wichtige Erkenntnis für Unternehmen aus besagter Studie: Duzen muss zur Marke passen. Ein Aspekt, der auf keinen Fall vernachlässigt werden sollte, wenn es um einen Change in der Kundenansprache geht.

Es kommt immer drauf an … auf die Kundschaft, das Unternehmen, den Kontaktkanal

Im Fall von Ikea ist es im Übrigen so, dass dort zwar ganz zwanglos in der Werbung, auf keinen Fall aber vor Ort in den Läden geduzt wird. Aus gutem Grund, wie ich finde. Auf dem Corporate Blog des Möbelhauses heißt es dazu: „In der direkten Kundenansprache sind wir in Deutschland beim Sie geblieben, denn hier zeigen sich die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Schweden und Deutschland und das „Du“ wird von manchen Kunden als unangebracht empfunden.“ Die Betrachtung interkultureller Differenzen spielt für international agierende Unternehmen also ebenfalls eine Rolle.

Bei meinem Telekommunikationsanbieter gilt das „Du“ ebenfalls nicht als unumstößlich: „Wenn uns im persönlichen Gespräch jemand darauf hinweist, dass er das Siezen bevorzugt, dann bleiben wir natürlich auch beim „Sie‘“, lautet der Hinweis am Ende der Ankündigung.

Wie viel höfliche Distanz sollte bleiben?

Das kommt sicherlich darauf an, wie man die neu ausgelotete Ansprache verargumentiert: Welchen Grund hat das Unternehmen für diesen Schritt? Was hat man sich dabei gedacht? Und kann man diese Veränderung uneingeschränkt für alle Kunden und Anwendungsbereiche geltend machen?

Überdies müssen sich Unternehmen darüber im Klaren sein, dass die persönliche Ansprache in der zweiten Person dazu führen kann, dass eine Vertraulichkeit suggeriert wird, die gar nicht besteht bzw. unangebracht ist. Es kann Themen im Kundenkontakt geben, die unangenehm sind und durch ein „Du“ bewegen sich die Erwartungen auf Kundenseite auf einer nahezu kumpelhaften Ebene, wo dies nicht angebracht ist. Denken wir etwa an Versicherungs- oder Bankangelegenheiten.

Unternehmen, die erst gar nicht in die Situation kommen möchten, dass ihre Kundschaft sich dem Change entgegenstellt oder – schlimmer noch – ihren Ärger darüber womöglich online kundtun, sollten diese also gut kennen oder im Vorfeld eine Umfrage hierzu starten, um so mögliche Befindlichkeiten auszuloten. Denn auch junge Zielgruppen favorisieren nicht per se und grundsätzlich ein „Du“ im Kontakt mit Unternehmen.

Mithilfe von Tools und Plattformlösungen könnte es zukünftig im direkten Kundenkontakt möglich werden, dass bei jedem Call, der E-Mail, einem Newsletter oder in der Direct Message via Messenger die Ansprache an die zuvor vom jeweiligen Kunden individuell ausgewählte Option angepasst ist. Stichwort: Hyperpersonalisierung.

Fazit: 360-Grad-Blick aufs Thema ist entscheidend

Das „Du“ in der Kundenansprache ist inzwischen akzeptabel, wenn grundlegende Dinge beachtet werden. Es vermittelt ein Gefühl von Dialog auf Augenhöhe, kann Sympathie wecken. Es kann dabei helfen, sich anders zu begegnen und Brücken schlagen bei weniger leichten Fragestellungen, um erst einmal eine vertrauensvolle Gesprächsbasis zu schaffen. Nicht jede Kundin und jeder Kunde muss das mögen und nicht jedes Unternehmen den Change hin zum „Du“ vollziehen.

Beachtet werden sollte bei aller Freude an einem neuen Konzept für die Kundenansprache, in welchem Zusammenhang das „Du“ verwendet werden soll bzw. ob es tatsächlich zu allen Kundenkontaktpunkten passt. In keinem Fall ersetzt ein Nähe implizierendes „Du“ den professionell respektvollen Umgang mit Kundinnen und Kunden. Fingerspitzengefühl und Empathie bleiben im Kontakt mit Kunden gefragt, egal ob gesiezt oder geduzt wird. Die im englischen Sprachraum genutzte Möglichkeit, das „Du“ („You“) in Verbindung mit dem Nachnamen einer Person zu verwenden, scheint hierzulande noch keine Option.

Fakt ist, dass sich diese Form einer vertrauteren Anrede auch in anderen Zusammenhängen zunehmend zeigt – etwa im Bereich Recruiting und innerhalb von Unternehmen. Aus meiner Sicht wird es in Deutschland aber noch eine ganze Weile dauern, bis die „Du“-Kultur in der Kommunikation zwischen Kunde und Unternehmen selbstverständlich wird.

Sie möchten erfahren wie Capita Sie beim Thema Customer Excellence unterstützen kann?