Challenger Banken oder wie Kundenbedürfnisse das Banking verändern
Date Published
07/11/2019
Reading time
5 Minuten
Vor etwa 20 Jahren, als weder Online-Banking noch Handys in der breiten Masse angekommen waren, fiel wohl den meisten Menschen die Vorstellung schwer, Bankgeschäfte könnten irgendwann mal ohne den vertraulichen Kontakt zum Bankberater auf einem Smartphone funktionieren. Und doch ist genau das heute »State of the Art«.
Getrieben von technologischen Möglichkeiten und vor allem, weil der Kunde es so will, verändert sich der Bankensektor rasant. Wir gewöhnen uns daran Technologien zu nutzen, denen wir erst kürzlich noch kritisch gegenüberstanden. Ob Spracherkennung, die zunehmende Automatisierung von Arbeit und Privatleben, das Smart Home – für viele gehört das alles inzwischen zum Alltag.
Sicherlich ist Banking ein sehr sensibles Thema. Doch nachdem im Jahr 2018 bereits 59 Prozent der Bevölkerung zwischen 16 und 74 Jahren in Deutschland Online-Banking nutzten, ist der nächste logische Schritt die verstärkte Nutzung des Mobile Bankings.
Challenger Banken erobern den Markt
Welche Weiterentwicklung in diesem Segment könnte auch besser sein, als jederzeit und überall die eigenen Bankgeschäfte wie nebenbei auf dem Smartphone zu erledigen? Kein Wunder also, dass Challenger Banken – häufig auch Mobile-only-Banken, Smartphone- oder Neobanken genannt – stark im Kommen sind. Häufig sind diese (noch) Start-ups. Ihre Services konkurrieren mit denen der etablierten großen Bankhäuser. In den meisten Fällen handelt es sich um Direktbanken ohne Filialnetz. Ihre Dienste bieten sie ausschließlich online und meist über eine App an.
Das Beispiel der 2013 in Berlin gegründeten Direktbank N26 zeigt deutlich, dass diese Entwicklung hin zum einfachen und schnellen Banking via Smartphone durch Endverbraucher gewünscht ist. Mit zahlreichen bekannten Investoren aus der ganzen Welt und einer Bewertung von mehr als 2,3 Milliarden Euro ist N26 eines der am höchsten bewerteten »Unicorns« aus Deutschland sowie das erste deutsche FinTech-Einhorn überhaupt. Mehr als 3,5 Millionen Kunden in 24 Ländern zählt das Unternehmen inzwischen. Im Juli 2019 schaffte man den Sprung auf den amerikanischen Markt, auf dem Neo Banks erstaunlich unterrepräsentiert sind. 100.000 Kunden stehen hier bereits auf der Warteliste für ein Konto bei N26, und viele weitere Kunden sollen im Laufe diesen Jahres dazukommen.
Aber nicht nur N26 ist auf die Idee gekommen, das Bankgeschäft zu digitalisieren und neu zu denken. Eine ganze Kaskade von FinTechs, wie auch etablierte Banken, die in solche Projekte investieren (etwa »Marcus« von Goldman Sachs), sind den beiden N26-Gründern Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal auf den Fersen. Da wären unter anderem die aus London stammende Revolut (die gerade ebenfalls ein Tech-Hub in Berlin gegründet hat), die Air Bank, Tandem, die niederländische Neobank Bunq oder das Zürcher FinTech Neon, um nur einige zu nennen.
Customer Experience steht im Fokus
Doch was macht diese neue Art von Banken, die zumeist eine sogenannte Konto-App anbieten, so erfolgreich? Bei den Digitalbanken stehen vor allem die Bedürfnisse der Kunden und die Customer Experience im Vordergrund.
Da wäre zum einen die Geschwindigkeit. Ein Konto hat der Kunde einfach und nach Angaben der Bank in weniger als acht Minuten eingerichtet. Der Login in der App auf dem Smartphone funktioniert via Fingerabdruck oder Gesichtserkennung. Schon kann man Kontostand und Ausgaben abrufen, Überweisungen tätigen, kostengünstig Auslandsüberweisungen vornehmen oder in Sekundenschnelle Geld an andere Kunden der Bank versenden. Dies funktioniert über ein System namens »MoneyBeam«. Dabei wird lediglich die gewünschte Person aus dem eigenen Telefon-Adressbuch gewählt, an die der Betrag gesendet werden soll.
Das alles ist bequem und entspricht damit einem weiteren wichtigen Aspekt der Customer Centricity: Die Banken zeigen, dass sie verstanden haben, worauf es den Kunden beim Banking heute ankommt. Hinzu kommen die niedrigen Preise. Sie begründen sich in der Zusammenarbeit mit anderen Drittanbieter-Plattformen wie zum Beispiel Transferwise.
Neben dem kostenlosen Konto für Privatkunden gibt es etwa bei N26 zudem weitere Premiumvarianten sowie Konten für Geschäftskunden, die Versicherungspakete oder exklusive Partnerangebote enthalten.
Insgesamt haben junge Digitalunternehmen im Finanzdienstleistungsbereich im Vergleich zu etablierten Banken den Vorteil, dass sie flexibler agieren können – sowohl in ihrem Angebot als auch im Kundenservice. Die Zusammenarbeit mit Drittanbietern, die bereits voll funktionsfähige Lösungen bereithalten, macht Challenger Banken agil und bietet Perspektiven für die Zukunft. Da Kunden alle Services über die App nutzen können, bleiben die Kosten für die Banken niedrig. Eine Skalierung in weitere Märkte ist ebenfalls leicht möglich. Die technischen Voraussetzungen (Netz-Infrastruktur, Smartphones, App-Stores) sind in den meisten Fällen bereits vorhanden. All das ist äußerst zeitgemäß und zeigt, wie die Digitalisierung ein so altes Geschäft wie das Banking nachhaltig verändern kann.
Kein Licht ohne Schatten: Klassischer Kundenservice ausbaufähig
Trotz aller genannten Vorteile war zuletzt auch weniger Gutes über einige der Challenger Banken zu lesen. Von gehackten Konten, fehlgeleiteten Überweisungen und sogar Betrügern, die die Konten angeblich zur Geldwäsche genutzt haben sollen, war die Rede. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) reagierte prompt und ordnete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation an. Im Mittelpunkt der Kritik stand auch der Service.
So erhielten Kunden, die von fehlgeleiteten Überweisungen betroffen waren, nicht den hierfür dringend wichtigen Support. Denn Telefon-Hotlines sind bei Challenger Banken genauso wenig selbstverständlich wie ein Filialnetz für andere etablierte Direktbanken. In vielen Fällen werden nur noch Chatsysteme eingesetzt und der Kunde wird zurückgerufen, wenn anders keine Lösung zu finden ist. Aber ohne Frage muss eine Bank, wie jedes Unternehmen, über ausreichend Personal und Technik verfügen, um Probleme in akuten Krisensituationen für ihre Kunden lösen zu können.
Dass N26 sein Personal daraufhin deutlich aufgestockt hat, ist vor dem Hintergrund der Risiken, wie einer vorläufigen Schließung oder gar dem Entzug der Banklizenz, nur logisch und für den Erhalt des Unternehmens absolut notwendig. Was sich hier offenbart, ist ein Problem struktureller Art, dem sich viele schnell wachsende Start-ups gegenübergestellt sehen: Es verursacht einen Personalmangel, der zu gebotener Zeit nicht immer schnell zu beheben ist. Gerade im Kundenservice kann dies enorme Folgen haben.
Kundenservice auch bei etablierten Banken nicht immer reibungslos
Zu glauben, unzureichender Kundenservice bei Problemlagen sei einzig bei Neo Banks anzutreffen, ist aber falsch. Auch etablierte Bankhäuser, die keineswegs unter Personalmangel leiden, sorgten jüngst für negative Schlagzeilen. So etwa die Commerzbank. Mehrfach innerhalb weniger Wochen kam es zu schweren Ausfällen der IT. Onlinebanking, Kartenzahlungen, Abhebungen und Überweisungen waren für die Bankkunden zeitweise nicht möglich. Die Verarbeitung von Daueraufträgen und Lastschriften war von den Ausfällen betroffen und einige Kunden erlangten unberechtigten Einblick in Kontoauszüge fremder Menschen. Die Ursache für die Störung war offenbar weder über die sozialen Netzwerke noch die Kunden-Hotline zu erfahren.
Der Kunde bleibt König
Klar ist, dass die etablierten Banken mit den auf FinTech basierenden Konkurrenten derzeit Ähnliches erleben, wie Taxifahrer mit Uber und Hotelbetreiber mit Airbnb. Die Digitalisierung verändert Geschäftsmodelle und mit ihnen den dazugehörigen Kundenservice. Challenger Banken treffen den Nerv der Zeit und machen vieles richtig. Doch egal ob etablierte- oder Challenger Bank: Überleben werden nur die, die die jungen Zielgruppen und Early Adopter von heute als ihre Kunden von morgen verstehen. Auch in Zeiten der Digitalisierung ist und bleibt der König Kunde. Auf Dauer werden die Banken überdauern, die den Kundenservice und die Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt stellen.
Über den Gastautor
Dominik Bernauer ist Diplom-Medienökonom. Er berät Menschen und Unternehmen in Medien- und Marketingfragen. Neben der Beratung ist Schreiben seine Leidenschaft. Er ist Ghostwriter, Blogger und Autor zahlreicher Fachbeiträge und Bücher.