9 Fragen an … Matthias Dietrich zur optimalen Ausbildung von Mitarbeitenden im Kundenservice – Teil 1
Date Published
09/02/2022
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Ob Kundenservice, Beschwerdemanagement, Vertrieb oder technischer Support: In allen Bereichen ist es unabdingbar, dass Kundenberaterinnen und Kundenberater optimal ausgebildet sind, um alle Anliegen der Kundschaft optimal zu lösen. Wie die Mitarbeitenden darauf vorbereitet werden, verrät Personalentwickler Matthias Dietrich im 2-teiligen Interview. Da er selbst bereits als Kundenberater, Projektsupporter, Teamleiter und Standorttrainer gearbeitet hat, kennt er alle Perspektiven der Beteiligten genau und kann ganz persönliche „Insights“ geben.
Mirjam Wilhelm: Wer schult eure Mitarbeitenden im Bereich Kundenservice?
Matthias Dietrich: Wir haben vor Ort an den Standorten Fach- und Standorttrainerinnen und Trainer, die den direkten Draht zu den Projekten haben. Außerdem haben wir Kolleginnen und Kollegen im Projekt-Support und der Teamleitung, die in ihren eigenen Projekten verwurzelt sind, und dann haben wir die standortübergreifende Personalentwicklung für das Unternehmen. Sie alle kümmern sich gemeinsam um die Kundenberaterinnen und Kundenberater vor Ort.
Mirjam Wilhelm: Im Umgang mit Kunden und Kundinnen sind grundsätzlich Empathie und Fingerspitzengefühl gefragt. Wie bereitet Ihr Eure Teams darauf vor?
Matthias Dietrich: Wir haben Kommunikationstrainings, die vor Ort mit den Mitarbeitenden durchgeführt werden. Das machen in erster Linie die Standorttrainerinnen und Trainer. Außerdem begleiten wir die Kundenberaterinnen und Kundenberater über die Einarbeitungsphase hinaus mit Coachings und weiterführenden Workshops und Schulungen. Das machen die Projektsupporter und Projektsupporterinnen.
Wir als Personalentwicklung stellen Konzepte für Kommunikationstrainings zur Verfügung und bilden die Fachtrainer und Projektsupporter aus, damit sie wissen, wie Schulungen konzipiert werden und zielführendes Coaching gestaltet wird. Da ich selbst auch die Seite der Kundenberatung kenne, kann ich mich gut darauf einstellen und wir können durch die Begleitung der Mitarbeitenden schnell erkennen: An welchen Stellen hat es womöglich im Telefonat mit dem Kunden oder der Kundin gehakt? Wo ist eventuell Öl ins Feuer gegossen worden? So werden wichtige Details im Umgang mit den Kundinnen und Kunden erlernt.
Mirjam Wilhelm: Wie lernen Eure Mitarbeitenden genau herauszuhören, worauf der Kunde oder die Kundin hinauswill und zügig auf deren Wünsche und Bedürfnisse einzugehen?
Matthias Dietrich: Das gesamte Team erhält, bevor es ans Telefon geht, nicht nur Fachtrainings – also Produkt-, Prozess- oder CRM-Schulungen. Alle Kolleginnen und Kollegen bekommen auch ein Kommunikationstraining. Darin geht es zum einen um die Ebene der Empathie und der Emotionalität, die in solchen Gesprächen natürlich eine Rolle spielt.
Unsere Kundenberater lernen, dass die Beziehungsebene in einem Kundengespräch noch wichtiger ist als die Sachebene. Zudem geben wir den Mitarbeitenden die Technik mit auf den Weg. Aktives Verstehen, Fragetechniken, positives Wording – das sind alles Inhalte unserer Kommunikationstrainings.
Mirjam Wilhelm: Wie lange dauert so eine Vorbereitung der Kundenberaterinnen und Kundenberater auf das erste Telefonat im Schnitt?
Matthias Dietrich: Das ist unterschiedlich und projektabhängig. Manche Projekte brauchen vier Tage Schulung, zum Teil übernehmen dann auch die Auftraggeber technische Einführungen. Andere Schulungen brauchen – abhängig vom Umfang der Aufgaben, die wir übernehmen - mehrere Wochen. Das Kommunikationstraining kommt immer dazu, das ist in den meisten Fällen ein Ganztagstraining.
Mirjam Wilhelm: Stichwort Beschwerdemanagement: Was ist das Wichtigste im Fall eines unzufriedenen und aufgebrachten Kunden? Manchmal kochen die Emotionen hoch und es wird persönlich. Wie bringt Ihr den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei, in solchen Momenten gelassen, freundlich und effizient zu reagieren?
Matthias Dietrich: Du hast gerade das Stichwort schon geliefert: Manchmal wird es auch persönlich. Das ist schon der erste Ansatzpunkt. Unsere Kundenberater sind Vertreter oder Vertreterin des Unternehmens, mit dem der Anrufer oder die Anruferin in diesen Momenten unangenehme Erfahrungen gemacht oder eine Enttäuschung erlebt hat. Teil der Schulung ist es, diese innere Haltung gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen zu entwickeln. Die Emotionen der Kundinnen und Kunden werden dann nicht mehr als persönlicher Angriff wahrgenommen und das macht einen wertschätzenden und lösungsorientierten Umgang mit deren Anliegen möglich. Das heißt, ihm oder ihr bewusst zu machen, dass der Anrufer oder die Anruferin es nicht persönlich meint, was auch immer geäußert wird. Ein Kundenberater ist in diesem Moment immer nur Vertreter oder Vertreterin des Unternehmens, mit dem der Anrufer oder die Anruferin unangenehme Erfahrungen gemacht oder eine Enttäuschung erlebt hat. Und nun ist unser Mitarbeiter der erste, den er oder sie „zu fassen bekommt“.
Darüber hinaus ist es wichtig, die Vorgeschichte des Anrufenden anzuerkennen. Etwas nicht als Lappalie abzutun, sondern sich klarzumachen, dass genau dieses Problem für den Kunden oder die Kundin vielleicht richtig schlimm ist. Uns ist wichtig, dem Kundenberater bzw. der Kundenberaterin zu vermitteln: „Mach dir bewusst, welches Drama, welche massive Einschränkung des Lebens sich gerade für den Anrufer oder der Anruferin abspielt. Das bist aber nicht du, der das verursacht, sondern das Unternehmen, für das du gerade sprichst“.
Der nächste Punkt ist, dass die Mitarbeitenden konkrete Techniken brauchen, um zu wissen, wie sie das auffangen können. Damit sind wir wieder beim Kommunikationstraining. Empathie zeigen und hörbar formulieren, Verständnis äußern, darum geht es dann. Keine Du-Botschaften, sondern Wir-Botschaften senden. Jeder Anrufer und jede Anruferin erwartet zunächst einmal Respekt für die individuelle Situation.
Teil 2 des Interviews finden Sie hier.
Matthias Dietrich, Personalentwickler bei Capita